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Haushaltsrede 2022

FWL Rede des Fraktionsvorsitzenden Dr. David Post in der öffentlichen Sitzung der Gemeindevertretung vom 16.03.2022

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

sehr geehrter Bürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerschaft,

eines möchte ich vorweg los werden, was sich in den letzten Jahren gravierend verbessert hat: Der Haushalt wurde aufgeräumt, er wurde geordnet, transparenter und klarer, dafür einen großen Dank an die Verwaltung und den Bürgermeister.

Über das Klein-Klein des Haushaltes können wir vortrefflich streiten, aber in der großen Gesamtbetrachtung der haushaltspolitischen Lage und den notwendigen Maßnahmen sind wir völlig einig mit Ihnen, Herr Bürgermeister. Wir stimmen mit Ihnen überein, dass die Investitionsschwerpunkte richtig gewählt sind.

Sie dachten, wir kritisieren Sie dafür, Hr. Bürgermeister. Aber nein, genau das Gegenteil ist der Fall, wir loben Sie dafür. Endlich haben wir einen ehrlichen Haushalt mit realistischer Einschätzung. Wir haben einen Haushalt mit den richtigen Schwerpunkten in Stadtentwicklung, Investition in längst notwendige Infrastrukturmaßnahmen und dem Beginn von Klimaschutzmaßnahmen.

Und wir loben Sie dafür, auch einmal die bitteren Erkenntnisse der Situation ehrlich auszusprechen:

  1. Sie stellen einen „hohen Sanierungsstau“ fest. Ja, den Investitionsstau sieht man am Anfang nicht, ist aber um so fataler, je länger man ihn nicht auflöst.

  2. Sie stellen eine „besorgniserregende Entwicklung“ fest durch die Nettoneuverschuldung, da die Schuldenaufnahme doppelt so hoch ist, wie der Abtrag der Altschulden.

  3. Sie stellen weiterhin fest, dass die Schuldenaufnahme nicht nur notwendig, sondern auch noch „drängend“ ist.

  4. Sie bemerken ganz richtig, dass Sie als Bürgermeister vor einer „unmöglichen Aufgabe“ stehen.

  5. Und nun müssen Sie als Bürgermeister sogar den Bürgern versichern, dass „viele andere wichtige Maßnahmen nicht im Haushalt aufgenommen wurden“. Und das, obwohl die letzten Jahre immer wieder die Steuern erhöht wurden.

Genau dieses Dilemma hat im letzten Jahrzehnt immer wieder dazu geführt, dass „empfindliche Streichungen“ vorgenommen werden mussten, Steuern erhöht wurden und keine Investitionen in notwendige Maßnahmen geflossen sind. Wie sollte man damit die Gemeinde gut in die Zukunft führen?

Ein Investitionskredit ist grundsätzlich erst einmal eine sinnvolle Maßnahme, wenn er Vermögenswerte schafft und zusätzlich Ausgaben erspart oder Einnahmen generiert. Er amortisiert sich dadurch nach einigen Jahren.

Bei einer zunehmenden Nettoneuverschuldung besteht entweder das Problem eines Investitionsstaus oder dass sich Dinge nicht wie geplant amortisieren. Auf jeden Fall gerät man irgendwann in Gefahr der finanziellen Leistungsfähigkeit und damit den Abtrag nicht mehr leisten zu können. Damit wären die Schulden von heute die Steuern von morgen!

Um dies bei der aktuellen Inflationslage einmal zu verdeutlichen zitiere ich erneut den Bürgermeister mit seinem Warnhinweis von 2019: „Bereits durch den Anstieg der Zinsen um 1% verdoppelt sich die Zinslast für den Gemeindehaushalt.“ Nicht nur die steigenden Gesamtschulden stellen also ein erhebliches Risiko für Bad Salzschlirf dar, sondern auch die Zinsen.

Bad Salzschlirf steht vor einem Schuldenberg und muss gleichzeitig wichtige Aufgaben schultern, die die Kommune viel Geld kosten werden. Dazu zählen vor allem der Aufbau zur Klimaneutralität, die Sanierung maroder Infrastruktur, sowie der Aufbau neuer sinnvoller Infrastruktur.

Dieser Investitionsbedarf geht vom Bauhof bis zur Kurgärtnerei, vom Kulturkessel bis zur Nahmobilität, von der Kita bis zur Digitalisierung, von der Brunnenhalle bis zum Rathaus, von der Brückensanierung bis zur Trinkwasserversorgung. Und damit ist noch nicht alles aufgezählt.

Der dadurch für die nächsten Jahre anstehende Investitionsbedarf für Bad Salzschlirf wird von uns, der FWL, wie folgt beziffert:

  • 10 Mio Euro für notwendige und nachhaltige Infrastruktur

  • 4 Mio Euro für weitere sinnvolle Investitionsmaßnahmen, wie aus dem ISEK

  • 5 Mio Euro für die Entwicklung des Gewerbegebietes

Die Debatte dreht sich also um die Frage, wie kann man den Schuldenberg abtragen und gleichzeitig Geld für anstehende Aufgaben mobilisieren?

Hohe Schuldenstände und im langfristigen Vergleich niedrige Investitionen sind symptomatisch für die Schieflage der Kommunalfinanzen in vielen Regionen Deutschlands. Bund und Länder haben darauf teilweise mit zusätzlichen Fördermitteln reagiert. Und genau das ist ein Ansatz.

In diesem Haushalt werden zwar 1,6 Mio Euro Schulden aufgenommen, gleichzeitig aber durch Fördermittel über 3 Mio Euro Investitionen gestemmt. Wir sind der Meinung, die Nichtauflösung eines dringenden Investitionsstaus von über 3 Millionen Euro wäre gravierender für die Bürgerinnen und Bürger, als 1,5 Million Euro Schulden. Sicher muss man die Zinsen der Schulden mit einberechnen, ein Investitionsstau trägt aber aus unserer Sicht viel risikoreichere „Zinsen“ mit sich. Die massive Hinterlassenschaft einer maroden Infrastruktur ist auch eine Form eines Schuldenberges für die nachfolgende Generation.

Das Aufschieben des Investitionsstaus der letzten Jahre, bringt uns immer wieder an den Rand eines Desasters, wie aktuell bei den Trinkwassertiefbrunnen. Dies macht obendrein durch den akuten Handlungsdruck am Ende die Sache noch viel teurer.

Um einmal ein positives Beispiel zu nennen: Wenn man die Sanierung des Klärwerkes sieht, dass zusätzlich zur Modernisierung zukünftig 117.000 kWh Strom jedes Jahr eingespart werden, war diese Investitionsmaßnahme ökologisch und ökonomisch längst überfällig gewesen und wird sich sicher für die Bürgerinnen und Bürger auszahlen.

Wir selbst waren oft gezwungen im Rahmen von „Haushaltskonsolidierung“ herunter zu sparen. Bei der Infrastruktur muss man teilweise sagen kaputt zu sparen. Was jedoch geblieben ist, ist eine dauerhafte Verschuldung, bei der es schwierig wird, diese Schulden aus eigener Kraft tilgen zu können.

Auch wenn einige zuvor defizitäre Haushalte jetzt ausgeglichen werden können, entsteht dadurch noch kein Spielraum, um Altschulden zu tilgen oder gar die noch reichlich vernachlässigten Investitionen vollständig nachzuholen. Dafür wären Überschüsse über viele Jahre notwendig.

Die sogenannten „fetten Jahre“ sind aber vorbei und konnten nicht dazu genutzt werden. Nach wie vor ist dies ein grundsätzliches strukturelles Problem: unsere reiche Gesellschaft leistet sich arme Kommunen, wie am Zustand der Infrastruktur überall zu besichtigen ist. Schwache Kommunen, wie Bad Salzschlirf, sind hiervon besonders betroffen. Wie die allgemeine Konjunktur durch eine Pandemie geschwächt wird, konnten wir gerade erleben und wie weltweit ein Krieg, eine Hungersnot oder klimatische Veränderungen die Erholung ausbremsen werden, wird uns auch weiter beschäftigen. Ob die Zinsen noch auf niedrigem Niveau verharren werden ist ebenfalls unklar. Die Kommune sollte sich auf Veränderungen einstellen.

Wir gehen in der momentanen Situation davon aus, dass Schulden in sinnvolle und nachhaltige Investitionen besser angelegt sind als die Hinterlassenschaft einer ineffektiven, unökologischen, kaputten oder nicht mehr vorhandenen Infrastruktur. Ohne diese funktionierende Infrastruktur werden wir auch zukünftig kein Schulden abtragen können. Diese Investitionen sind somit ein notwendiges Mittel der Ertragssicherung.

Der Bund hatte einmal eine gewisse Bereitschaft angedeutet, beim Ablösen kommunaler Altschulden zu helfen und Bund und Land haben immer wieder Förderprogramme für Investitionen. Hier sollte weiter gebohrt werden.

Die Frage wird bleiben, ob eine höhere Schuldenaufnahme eine Chance für die dringenden Investitionen bietet oder ein großer Fehler wäre, weil höhere Schulden eine Hypothek für die Zukunft wäre. Unbestritten ist, dass die steigende Kreditaufnahme des letzten Jahrzehnts eine langfristige Fehlentwicklungen im kommunalen Budget ist, dies gilt aber im gleichen Maße für einen Investitionstau.

Was bleibt ist die Erkenntnis eines notwendigen Umbaus, der von allen getragen werden muss.

Der erste wichtige Schritt ist getan mit einer ehrlichen Haushaltsführung und aktueller Interpretation durch den Bürgermeister und die Verwaltung. Um weiter ehrlich zu bleiben, muss man sagen, es fehlt noch der Tilgungsplan für die nächsten Jahre, oder besser gesagt für das nächste Jahrzehnt.

Es ist Aufgabe der Gemeindevertretung dieses Problem zu lösen. Unsere Vorschläge sind bisher nicht mehrheitsfähig gewesen, deshalb erwarte ich von einer Mehrheitskoalition Vorschläge, die mehr bewirken als die, teilweise sehr schmerzhaften, Bemühungen des letzten Jahrzehnts.

Die FWL sieht aus diesen vielen Bemühungen und schmerzhaften Lehren der Vergangenheit in Verbindung mit der aktuellen Einschätzung für einen Umbau nur drei Möglichkeiten: Einmal Stärkung der gemeindlichen Steuereinnahmekraft, da bleibt primär nur die Gewerbesteuer. Oder alternativ, noch weitere schmerzhafte Einschnitte im Tourismusbereich hinnehmen.

Und wenn beides nicht realistisch oder gewollt ist: Als weitere Möglichkeit bietet das Land Hessen ein Programm, dass sowohl eine Entschuldungshilfe als auch eine Investitionsförderung enthält. Genau gegen das Dilemma, was uns der Bürgermeister klar aufgezeigt hat. Die Hessische Landesregierung unterstützt die interkommunale Zusammenarbeit bis hin zu freiwilligen Gemeindefusionen mit einer Reihe von Maßnahmen. Dies sollte uns Anreiz genug sein, über eine freiwillige Fusionen nachzudenken.

Unsere Politik entscheidet, ob wir die Probleme auf Pump lösen, ohne dies abzutragen. Dann nehmen wir unseren Kindern und Enkeln schon heute das Geld, mit dem sie die Herausforderungen ihrer Zukunft angehen können.

Wenn wir es jedoch richtig machen und eine Tilgung durch unsere Maßnahmen realistisch wird, dann sind die Schulden von heute der Wohlstand von morgen.

In diesem Sinne sehen wir das jetzt eingesetzte Geld nur als ein Mittel zum Zweck und nicht als den Zweck selbst. Damit stimmen wir dem Haushalt zu.

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