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Haushaltsrede 2019 von Frank Post
Rede des FWL-Fraktionsvorsitzenden Frank Post in der öffentlichen Sitzung der Gemeindevertretung vom 26.03.2019
Liebe Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter, sehr geehrter Gemeindevorstand, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
wenn man dem Bürgerbrief und den Mitteilungen von Herrn Bürgermeister Kübel glauben schenken mag, ist die Lage angespannt, aber wir haben im Sinne der Bürger alles im Griff. Ist dies wirklich so? Oder werden vielmehr die Realitäten nicht gesehen?
Wie in den letzten beiden Jahren stellen wir erstaunt fest, dass keine großen Sprünge möglich sind und die Situation nicht vorhersehbar war. Die Steuern wurden in der Amtszeit von Herrn Kübel deutlich erhöht, wiederkehrende Straßenbeiträge eingeführt und die Verschuldung steigt und steigt. Dass die Steuerlast in der jetzigen Höhe, trotz Vollbeschäftigung und Hochkonjunktur, erneut deutlich in Frage steht, und Erhöhungen eigentlich nicht vermeidbar sind, ist ebenfalls Realität und sollte uns aufschrecken. Im kommenden Jahr müssen verschiedene Gebühren angehoben werden, um den desolaten Zustand des Haushaltes erneut zu retten. Wie weit kann und darf man die Bürger und Betriebe weiter belasten? Es gibt kein Ziel und kein Konzept für unsere Gemeinde. Wir planen, z.B. eine Therme, ohne ein klares Gesamtkonzept für unseren Kurstandort und Wohnort zu haben. Versuche, wie die Belebung des Handels und der Gastronomie, sind aus unserer Sicht mäßig bis gar nicht erfolgreich. So sind das Programm "Inge Plus" und der leerstehende Kulturkessel Beispiele dafür, wie wenig sich am Ende getan hat.
Erneut bezuschussen wir den Bereich Tourismus und Fremdenverkehr mit fast 390.000,- €. Darin noch nicht eingeschlossen sind die Zuschüsse vom Land (Bäderfinanzausgleich) und die Kurtaxe der Gäste.
Bad Salzschlirf ist mit rund 3300 Einwohnerinnen und Einwohnern vermutlich einfach zu klein, um die Infrastruktur eines Kurortes in der derzeitigen Ausprägung alleine zu erhalten.
In diesem Zusammenhang darf positiv erwähnt werden, dass die Zahl der Einwohner in den letzten Jahren weiter auf fast 3300 Einwohner gestiegen ist. Auch hier stellt sich aber die Frage, nach weiteren Baugebieten und die Frage nach den Folgen. Bevor diese ausgewiesen werden, sollten alle Kosten und Einnahmen gerechnet werden, damit nicht wie im letzen Baugebiet der Haushalt trotz Verkaufs der Grundstücke mit über 80.000 € jährlich belastet wird.
Wenn es einen Neubau einer Therme geben sollte, könnte die Verschuldung für jeden einzelnen Bürger mit über 4000,- € zusätzlich steigen. Bei einer bereits bestehenden Verschuldung von fast 7,26 Mio. € alleine in der Gemeinde, trotz Abzug der Zuschüsse aus der Hessenkasse, eine kritische Größe. Das bedeutet jetzt schon jährlich einen Abtrag von fast 600.000,- € oder 182,- € pro Person im Jahr. Um das mal deutlich zu machen: 2011 lag die Verschuldung pro Kopf noch bei 1170 € lt. dem Statischem Landesamt und 2017 bereits bei 3272 € pro Kopf, was fast eine Verdreifachung bedeutet.
Das Risiko für den Neubau einer Therme würde ebenfalls die Gemeinde tragen, da wir auch dann Eigentümer des Gebäudes wären. Ja, es gibt Zusagen und Absichtserklärungen für Zuschüsse zum Bau, doch das Restrisiko bleibt wieder bei der Gemeinde. Zudem wird die Gemeinde zusätzlich zum heutigen Fehlbetrag in der T+S, neben dem Risiko der Therme, womöglich noch einen Betriebskostenzuschuss an den möglichen Betreiber leisten müssen. Ob und wie hoch dieser ist und welches Risiko entstehen wird, ist erst nach der Verhandlung mit den verschiedenen Bewerbern/Betreibern zu besprechen. Und wir reden hier klar von Betreibern und nicht von Investoren im klassischen Sinne. Bauen würde die Gemeinde und das Betriebsrisiko liegt beim Betreiber. Ob wir das Projekt Therme in der jetzigen Haushaltssituation schaffen, fragen wir uns schon länger. Wo kann ein möglicher Betriebskostenzuschuss im Haushalt her kommen? Wenn dann gelingt dies nur durch eine Umwidmung von bestehenden Kosten, was einen radikalen Wandel bedeuten muss und ein Konzept bereits jetzt erfordern würde. Wir müssen uns den Realitäten stellen und nicht immer wieder auf Zeit spielen. Klar ist auch, dass es sich bei einem Bau einer Therme um freiwillige Aufwendungen und nicht um Pflichtaufgaben handelt, wie der Landesrechnungshof eindeutig festgestellt hat, was sicher die Haushaltsgenehmigung nicht einfacher gestalten dürfte.
Auch in anderen Bereichen haben wir einen erheblichen Investitionsstau, wie z.B. im Bereich Bauhof und Kurgärtnerei, Straßen- und Brückenbau, Kanalnetz und Wasserversorgung. Es ist bereits jetzt klar, dass die Lindenstraße in den festgelegten wiederkehrenden Straßenbeiträgen nicht oder nicht vollständig zu finanzieren sein wird, da die Bonifatiusstraße erheblich teurer war als berechnet, ebenso wie die Schätzungen zum Lüderberg deutlich über den ersten Erwartungen liegen dürften.
Das könnten wir möglicher Weise alles durchwinken nach dem Motto "Augen zu und durch". Oder Hauptsache keine weitere Belastung der Bürgerinnen und Bürger sowie der Betriebe. Auch ich und wir waren geneigt genau dieses zu tun, um die Bürgerinnen und Bürger vordergründig nicht zu belasten. Aber ein wesentlicher Punkt fehlt im Haushalt, was eine Zustimmung für uns neben der Konzeptfrage unmöglich macht:
Die zusätzlichen Kosten für die Kinderbetreuung. Wenn wir die Zahlen der Wartelisten und den Rechtsanspruch ernst nehmen, kommen auf den Haushalt zwei zusätzliche Gruppen und ein neuer Standort zu. Da die Kirchengemeinde die Einrichtung nicht tragen kann und damit alles von der Gemeinde gestellt werden muss, rechnen wir mit einem Defizitausgleich von vermutlich mindestens 200.000,- € pro Jahr. Hinzu kommen investive Mittel in unbekannter Höher. Welches Konzept, Neubau oder Umbau eines Bestandsgebäudes, wie z.B. dem Gemeindezentrum? Selbst wenn der Zuschuss geringer sein würde, ist ein Haushaltsausgleich in weiter Ferne.
Es ist heute alleine aus diesem Grund schon absehbar, dass es einen Nachtragshaushalt geben muss, welcher einen Haushaltsausgleich aus unserer Sicht sehr fragwürdig erscheinen lässt. Und es ist vorhersehbar, wie so einiges andere auch vorhersehbar war. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit wurde immer gefordert. Wenn wir dies nicht einhalten und mal wieder den Haushalt am Ende trotz positiver Planungen negativ abschließen, macht uns das als Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter unglaubwürdig. Ja, ein Teil der alten Schulden stammen aus den Zeiten, in denen FWL und SPD Mehrheiten hatten. Der deutlich größere Teil ist seit 2012 entstanden, wie es die Zahlen des Statistischen Landesamtes zeigen. Wir drücken uns nicht vor der Verantwortung in dieser Frage, aber die Wahrheit ist auch, dass der Schuldenstand seit 2012 deutlich zugelegt hat und das ohne wirkliche große Innovationen und Entwicklungen im Ort.
Aus unserer Sicht stehen wir kurz davor in eine Fremdverwaltung zu gehen, da wir den Haushalt nicht in den Griff bekommen. Wir laufen in zu großen Schuhen.
Wir stellen fest, dass wir uns allzu oft vom Tagesgeschäft vereinnahmen lassen, statt dringend notwendige große strukturelle Verbesserungen auf den Weg zu bringen.
Aber wichtig scheint zu unterstreichen, dass Bad Salzschlirf mehr ist als nur der Tourismusstandort und wir uns endlich auch anderen Themen der Bürgerinnen und Bürger widmen müssen. Wir müssen uns den großen Kostenblöcken annehmen und nicht beispielsweise der Vereinsförderung oder der Streichung eines Lichterfestes.
Es reicht eben nicht, wenn man in den Reden zum Haushalt feststellt, „Wir müssen kleinere Brötchen backen“. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Es ist höchste Zeit den Bürgerinnen und Bürgern das Signal auszusenden, wofür unsere Gemeinde steht und was uns wichtig ist und wie es wirklich um die Gemeinde steht.
Ein wichtiges Ziel der Gemeindeverwaltung und der T+S muss es sein, die Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen und Engagement zu fördern. Sparen kann man nur mit Ideen und Kreativität sowie einem klaren Konzept für die Zukunft. Auch die interkommunale Zusammenarbeit muss weiter ausgebaut werden. Aber gerade diese Kreativität und diese Ideen fehlen, aus unserer Sicht, sehr deutlich.
Wir werden aus all den genannten Gründen, aber vor allem wegen der fehlenden Mittel im Kindergarten, dem Haushalt mehrheitlich nicht zustimmen und das zum ersten Mal seit mehr als 10 Jahren. Wir können nicht einem Haushalt zustimmen, der so offensichtliche Abweichungen erwarten lässt, dass am Ende die Probleme nur kurzfristig verschoben sind. Gerne sind wir bereit im Dialog mit allen Beteiligten nach Lösungen zu suchen und werden uns, weiter konstruktiv einbringen.
"Wer zu wenig negativ denkt, wird auch kein positiv entwickeln können"
Zitat von Erhard Blanck (Deutscher Schriftsteller)
umgekehrt sage ich:
Wer die Probleme nicht erkennt und sie nicht annimmt, wird diese auch nicht lösen.